
Posttraumatische Belastungsstörung – drei Worte, die sachlich klingen und doch ganze Lebensläufe erschüttern können.
Wer sie ausspricht, spricht selten über Krankheit, sondern über einen inneren Krieg, der nach dem eigentlichen Einsatz beginnt.Für viele Soldaten, Veteranen und Angehörige der Blaulichtfamilie – Polizisten, Feuerwehrleute, Rettungsdienstler, Notärzte – ist PTBS kein theoretisches Konzept, sondern tägliche Realität. Sie tragen Verantwortung in Extremsituationen, handeln dort, wo andere weglaufen, und erleben Bilder, die sich nicht abschalten lassen, wenn der Dienst endet.
Traumatische Belastungen entstehen nicht nur durch einmalige Katastrophen, sondern oft durch wiederholte Extremerfahrungen: Explosionen, Unfälle, Tod, Leid, Hilflosigkeit.
Während der Körper zurückkehrt, bleibt ein Teil des Erlebten „im Einsatz“. Das Gehirn versucht, Unfassbares einzuordnen, doch das Nervensystem bleibt im Alarmzustand.
Diese Symptome sind keine Zeichen von Schwäche. Sie sind eine normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis – eine Schutzreaktion, die irgendwann zur Belastung wird.
Deutschland verfügt mit der S3-Leitlinie für Posttraumatische Belastungsstörungen über einen international anerkannten Standard.
Diese Leitlinie wird von Fachgesellschaften der Psychiatrie, Psychotherapie und Psychotraumatologie erarbeitet und regelmäßig aktualisiert.
Antidepressiva aus der Gruppe der SSRI oder SNRI können Symptome abmildern, ersetzen aber keine Psychotherapie. Medikamente sind in der S3-Leitlinie ausdrücklich ergänzend, nicht primär empfohlen.
So eindeutig die Leitlinie ist – der Alltag vieler Betroffener sieht anders aus.
Nicht alle finden frühzeitig Zugang zu Therapieplätzen. Wartezeiten, Scham, Dienstpflichten oder Fehlinterpretationen der Symptome führen oft zu Verzögerungen.Ein Rettungsassistent, der seit Jahren nach einem Unfall kaum schläft, „funktioniert“ weiter – bis er irgendwann zusammenbricht.
Ein Soldat, der im Auslandseinsatz einen Kameraden verloren hat, meidet Uniform und Kameradschaft – und isoliert sich.
Eine Polizistin, die bei einem Einsatz Kinder sterben sah, spürt seitdem keine Freude mehr – aber meldet sich nie krank, um „nicht zu schwach“ zu wirken.Diese Geschichten wiederholen sich. Und sie zeigen, dass PTBS keine Nische betrifft, sondern mitten in unseren Berufsgruppen stattfindet, die wir täglich bewundern.
Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages erfasste im Jahresbericht 2020:
301 Soldaten stellten sich erstmalig wegen einer einsatzbedingten psychischen Störung vor.
Die 12-Monatsprävalenz der PTBS in der Bundeswehr liegt laut Wittchen et al. (2012) bei 2,9 % – etwa doppelt so hoch wie in der Zivilbevölkerung.
In den USA, Kanada und Australien zeigen vergleichbare Studien ähnliche Tendenzen: Einsatzrückkehrer tragen ein zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko, an PTBS zu erkranken.Bei Feuerwehr, Polizei und Rettungsdiensten liegt die Belastung laut neueren Metaanalysen noch höher – bis zu 20 % der Einsatzkräfte entwickeln klinisch relevante Symptome, viele davon ohne offizielle Diagnose.
Trotz wissenschaftlich belegter Verfahren gibt es in der Praxis Herausforderungen:
Hier setzt der Gedanke an, ergänzende Methoden einzubeziehen – solche, die Vertrauen schaffen, den Einstieg erleichtern und Therapie erlebbar machen, bevor Worte möglich sind.
Pferdegestützte Interventionen gelten als komplementärer Ansatz innerhalb moderner Traumatherapie.
Sie ersetzen keine Psychotherapie, können aber deren Wirksamkeit unterstützen und vertiefen.
Das systematische Review von Kirsche et al. (2022), veröffentlicht in der Wehrmedizinischen Monatsschrift (WMM), untersuchte fünf internationale Studien (2016–2021) mit insgesamt 187 Veteranen:
Die Autoren betonen:
„Pferdegestützte Interventionen können positive Veränderungen bei Veteranen mit einsatzbedingter PTBS bewirken.
Eine evidenzbasierte Bestätigung erfordert jedoch weitere randomisierte, kontrollierte Studien.“
In den USA ist die pferdegestützte Therapie längst Bestandteil militärischer Rehabilitationsprogramme.
Das U.S. Department of Veterans Affairs unterstützt über 200 Einrichtungen, die tiergestützte Interventionen anbieten – von Reittherapie über Bodenarbeit bis hin zu „Equine Fazilitäten Psychotherapie“.Australien und Kanada verfolgen ähnliche Ansätze.
In mehreren Studien (u. a. Romaniuk et al., 2018; Wharton et al., 2019) zeigte sich eine deutliche Abnahme von PTBS-, Angst- und Depressionswerten nach 6–12 Wochen Pferdearbeit. Auch Skandinavien, insbesondere Norwegen und Dänemark, integriert Tiergestützte Therapien zunehmend in staatliche Rehabilitationsprogramme.
Dort sind Kooperationen zwischen Verteidigungsministerium, Kliniken und lizenzierten Reittherapie-Zentren längst etabliert.
Das dänische Modell gilt in Fachkreisen als „Goldstandard“ der präventiven und langfristigen Betreuung von Einsatzkräften.
Kern ist ein mehrjähriges, verbindliches Screening-Programm:
Das Besondere: Niemand muss selbst „Hilfe beantragen“. Die Nachsorge ist Pflicht, aber nicht stigmatisierend.
Sie wird als Fürsorge verstanden – nicht als Kontrolle. Ergebnisse zeigen:
Deutschland hat inzwischen begonnen, ähnliche Modelle zu prüfen – unter anderem beim Psychotraumazentrum der Bundeswehr.
Doch ein flächendeckendes System, das auch Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste einschließt, steht noch aus.
Die Bundeswehr investiert seit 2020 verstärkt in Forschung zur Wirksamkeit pferdegestützter Therapien bei Einsatzfolgestörungen.
Zudem gibt es Kooperationen mit Psychotraumazentren, Rehabilitationskliniken und Universitäten. Trotzdem fehlt in Deutschland ein verbindlicher, langfristiger Mechanismus wie das dänische Screening-System.
Viele Einsatzkräfte fallen nach der akuten Therapiephase in ein Vakuum.
Genau hier setzen Projekte wie Ghost Rock Legacy an – sie schaffen stabile, sichere Orte, an denen Nachsorge, Kameradschaft und tiergestützte Intervention systematisch zusammengeführt werden.
PTBS ist nicht das Ende einer Laufbahn. Sie ist ein Signal.
Ein Hinweis darauf, dass der Mensch empfindet, Verantwortung getragen und Grenzen überschritten hat. Heilung braucht Struktur – aber auch Menschlichkeit.
Sie beginnt, wenn Betroffene spüren:
„Ich bin nicht allein. Es gibt Wege, und sie sind gangbar.“Die Kombination aus leitliniengerechter Psychotherapie, pferdegestützter Arbeit, körperorientierten Methoden und sozialer Einbindung bietet einen vielschichtigen, modernen Ansatz.
Mit Ghost Rock Legacy entsteht ein Ort, der genau dieses Denken lebt:
Wissenschaftlich fundiert, therapeutisch begleitet, aber menschlich, kameradschaftlich und naturverbunden. Hier geht es nicht um kurzfristige Wochenend-Kurse, sondern um Langzeittherapie, Ausbildung, Forschung und Prävention.
Das Projekt schafft Strukturen, in denen Pferde nicht nur Co-Therapeuten sind, sondern Partner in einem Prozess, der Seele, Körper und Verstand verbindet. Veteranen, Einsatzkräfte und ihre Familien sollen hier eine zweite Heimat finden – einen Ort der Heilung, aber auch des Miteinanders.
Denn Kameradschaft endet nicht mit dem Dienstgrad – sie beginnt dort, wo man Verantwortung füreinander übernimmt.
PTBS ist keine Randerscheinung, sondern Teil der Verantwortung einer Gesellschaft, die Menschen in Extremsituationen schickt, um Leben zu retten oder zu schützen. Die Zukunft der Traumatherapie liegt in der Verbindung:
zwischen Medizin und Menschlichkeit, zwischen Leitlinie und Leben, zwischen Wissenschaft und Praxis. Deutschland hat die Fachkompetenz – Dänemark zeigt das Modell.
Pferde und Tiere schaffen die emotionale Brücke, die oft fehlt.
Und Projekte wie Ghost Rock Legacy bauen den Ort, an dem all das zusammenkommt. Heilung braucht Mut, Struktur – und vor allem Vertrauen.
Und Vertrauen entsteht dort, wo man Menschen nicht allein lässt.